Page 2 - JOBWOCHE 3_2020
P. 2

2 Vermischtes                                                                                                      4. - 17. Februar 2020

                                                                                                              Jobwoche.de

Kostüme,                            Achtung Datensch
Konfetti, Kamelle
Was an Karneval                     Beschäftigte können Zeiterfassung per Fingerscan ablehnen

im Job erlaubt ist                  Zeiterfassung mittels Stechuhr - das gehört in den
                                    meisten Unternehmen der Vergangenheit an. Für
In Hamburg oder Berlin weiß         moderne Zeiterfassungssysteme reicht inzwischen
kaum einer, worum alle so viel      manchmal ein Fingerabdruck aus. Diese Technik
Aufhebens machen, in Köln           darf ein Arbeitgeber aber nur einsetzen, wenn die
und Umgebung bedeutet               Arbeitnehmer ausdrücklich zugestimmt haben. Das
Karneval: Narrenfreiheit. Oder      geht aus einem Urteil des Arbeitsgerichts Berlin
etwa doch nicht? Alexander          (Az. 29 Ca 5451/19) hervor.
Bredereck, Fachanwalt für
Arbeitsrecht in Berlin, stellt      Im konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer geklagt: Er
klar: «Erstmal muss man             weigerte sich, das Zeiterfassungssystem mit Finger-
sagen: Es gibt kein Karne-          print zu nutzen, und erhielt dafür Abmahnungen von
valsarbeitsrecht.»                  seinem Arbeitgeber.

Grundsätzlich komme es meist        Das Gericht entschied, dass Arbeitnehmer nicht zur
darauf an, in welcher Region        Nutzung der Funktion verpflichtet werden können.
man arbeitet, erläutert Brede-      Entsprechend müssten die Abmahnungen aus der
reck. Wer am Rosenmontag ver-       Personalakte entfernt werden.
kleidet zur Arbeit kommt, könne
da mit Verständnis vom Chef         Die für die Fingerabdrucksfunktion nötigen Daten dür-
rechnen, wo Karnevalsfeiern         fen nur verarbeitet werden, wenn hierfür die Erlaubnis
üblich sind. Gleiches gilt zum      vorliegt. Es gab aber weder eine Einwilligung des
Beispiel für laute Karnevalslieder  Arbeitnehmers noch eine Kollektivvereinbarung.
aus dem Radio, ein Gläschen
Sekt oder Kamelle, die durch die    Nach Bundesdatenschutzgesetz dürfen biometrische
Firma fliegen. Wenn das seit        Merkmale von Beschäftigten zudem nur dann gespei-
Jahren so Tradition ist, können     chert werden, wenn dies für das Arbeitsverhältnis
Angestellte in der Regel darauf     «erforderlich» ist. Auch dafür sahen die Richter in die-
vertrauen, dass närrisches Ver-     sem Fall keinen Anlass. Es sei davon auszugehen,
halten keine Konsequenzen           dass dies im Regelfall unnötig ist für derartige
nach sich zieht.                    Kontrollen, die ein «Mitstempeln» für Kollegen verhin-
Und darf der Chef seine             dern sollen.
Mitarbeiter dazu auffordern, an
Karneval mit Papphütchen an         Darf der Chef den Bart verbieten?
der Verkaufstheke zu stehen?
«Wenn der Arbeitgeber ein           Für einige Chefs gehört es da-       Sollte es im Betrieb Hygiene- oder   lektive oder generelle Anweisung,
berechtigtes Interesse hat und      zu, dass Angestellte glatt rasiert   Sicherheitsvorschriften geben,       die das Verhalten von Beschäftig-
seine Anordnung begründen           zur Arbeit kommen. Das ist nicht     kann der Arbeitgeber aber bspw.      ten betrifft, vor allem wenn diese
kann, kann er durchaus Anwei-       immer nach dem Geschmack             verlangen, dass der Arbeitnehmer     Persönlichkeitsrechte von Ange-
sungen zur Betriebskleidung         der Mitarbeiter. Aber darf ein       ein Bartnetz trägt.                  stellten berührt, ist mitbestim-
geben - auch an Karneval», so       Chef den Bart verbieten?             Unter bestimmten Umständen           mungspflichtig. Das heißt: Gibt es
Bredereck. Das werde aber in        Vorgaben zum Aussehen greifen        kann ein Arbeitgeber auch von        im Unternehmen einen Betriebs-
der Regel eher in Regionen pas-     in die freie Entfaltung der Persön-  einem Angestellten mit Kunden-       rat, muss dieser einem Verbot zu-
sieren, in denen üblicherweise      lichkeit ein. Das gilt bei Bärten    kontakt ein gewisses Erschei-        nächst zustimmen. Die Regelung
Karnevalsfeiern stattfinden.        ebenso wie bei Tätowierungen,        nungsbild erwarten. Allerdings       muss zudem in die Betriebsverein-
Demgegenüber stehe auch             Frisuren oder Piercings. In sol-     muss er im Streitfall sein berech-   barung. Zudem ist zu unterschei-
immer das Persönlichkeitsrecht      chen Fällen steht im Zweifel das     tigtes Interesse nachweisen kön-     den, ob ein Bartträger im öffentli-
des Angestellten. «Es gibt da       allgemeine Persönlichkeitsrecht      nen. In aller Regel sind Vorschrif-  chen Dienst oder in einem
auch Grenzen», erläutert der        dem Interesse des Arbeitgebers       ten, die das persönliche Erschei-    Beamtenverhältnis angestellt ist.
Fachanwalt. Etwa, wenn eine         gegenüber. Und Persönlichkeits-      nungsbild betreffen, aber nicht      Hier können die Regeln durchaus
vom Arbeitgeber angedachte          rechte überwiegen in der Regel.      berechtigt. Zudem gilt: Jede kol-    strenger sein.
Verkleidung sexistisch ist.
«Keiner muss sich erniedrigen
lassen», so Bredereck.
   1   2   3   4   5   6   7