Das stille Ausbremsen im Job

Quiet Firing
Das stille Ausbremsen im Job
Wer das Gefühl hat, von der Führungskraft mit Absicht ignoriert zu werden, sollte das Gespräch suchen. FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN

Bekommen Beschäftigte ständig unnötige Aufgaben oder wer­den ignoriert, kann das vie­le Gründe haben. Quiet Firing etwa, eine stille Entlassung. Manchmal ist aber auch einfach die Führungskraft un­fähig.

 

Erst ist es nur ein komisches Ge­fühl. Doch irgendwann häufen sich die Fragen: Warum habe ich kei­ne Einladung zum Meeting be­kommen? Warum werde ich am neuen Projekt nicht beteiligt? Und wa­rum reagiert meine Vor­ge­setzte nicht mehr auf meine Mails oder sagt ständig Treffen ab? «Wenn Sie den Eindruck haben, ausgeschlossen zu werden, nichts richtig machen zu können oder gar kein positives Feedback mehr zu erhalten, dann sind das Warnsignale, die Sie ernst nehmen sollten», sagt die Ham­bur­ger Karriereberaterin Ragnhild Struss.

 

Quiet Firing - die schleichende Kündigung

Jedes dieser Merkmale alleine muss noch nichts bedeuten. Nach­richten können mal untergehen, die Terminkalender von Füh­rungskräften sind in der Re­gel mehr als ausgelastet. «Doch all diese Verhaltensweisen zu­sammen lassen ein System erkennen, das stutzig machen sollte», so die Arbeits­psy­cho­lo­gin. Vielleicht möchte der Chef oder die Chefin Sie auf diese Art und Weise loswerden. Stichwort: Quiet Firing - die schleichende Kündigung.

 

Darunter versteht man das Ver­halten von Arbeitgebern, Mitar­beitende nicht offiziell zu entlassen, sondern sie quasi aufs berufliche Abstellgleis zu schi­cken. Das Ziel: Sie so frustrieren, dass sie irgendwann von sich aus das Unternehmen verlassen.

 

Das kann unterschiedliche Ur­sachen haben: Womöglich liegen keine berechtigten Gründe für eine Kündigung vor, der Arbeit­geber möchte sich aber die Abfindung sparen. Vielleicht sind Mitarbeitende aus Sicht des Un­ternehmens einfach unbequem geworden oder passen nicht mehr ins Team.

«Dass es sich Führungskräfte einfach machen und sich auf diese Weise von Angestellten trennen wollen, diese Gefahr besteht durch­aus», sagt Struss. Einen Trend sieht sie allerdings nicht.

 

Unternehmen überlassen Kündigung nicht dem Zufall

Dem Wirtschaftspsychologen An­dreas Hemsing zufolge suchen Unternehmen, die einen Be­schäf­tigten wirklich loswerden wollen, eher nach einem aktiven Weg. «Sonst würde ich es ja eher dem Zufall überlassen, ob derjenige auch wirklich ausreichend Leidensdruck entwickelt, um selbst zu kündigen.»

 

Dass Mitarbeiterinnen und Mit­arbeiter tatsächlich entsprechend behandelt werden, glaubt Hem­sing durchaus. «Es ist aber keine bewusste Taktik, sondern eher eine Erklärung für schwaches Führungsverhalten.» Etwa, wenn Chefs und Chefinnen nicht in der Lage dazu sind, Menschen zu steuern, zu organisieren, Auf­gaben sauber zu verteilen oder nach vorne zu denken und Ideen zu entwickeln.

 

Quiet Firing als Zeichen für Führungsversagen

Auch Ragnhild Struss sieht die Gründe für Quiet Firing in einer «Unfähigkeit zur Konflikt­be­wäl­tigung und einem mangelnden Kommunikationsvermögen aufseiten der Führungsebene»: An­statt Angestellte zur Kündigung zu nötigen, sollten sie lernen, Probleme anzusprechen und diese gemeinsam konstruktiv zu lösen.

 

Quiet Firing ist der Organisa­tions­psychologin zufolge nicht nur auf menschlicher Ebene «eine Katastrophe». Es ist auch nicht wirtschaftlich: «Nicht nur, dass die Personalkosten unnötig verschwendet werden, indem Mitarbeiter beschäftigt werden, die gar keine echten Aufgaben mehr übernehmen, zusätzlich wird vorhandenes Potenzial nicht genutzt.» Die «still gefeuerten» Be­schäftigten könnten zum Bei­spiel an anderer Stelle im Un­ternehmen durchaus sinnvolle Tä­tigkeiten übernehmen und wert­volle Leistungen erbringen.

 

Auf dem Abstellgleis? Gespräch mit der Führungskraft suchen

Was aber bleibt Beschäftigten, wenn sie sich - aus welchen Grün­den auch immer - ins berufliche Abseits geschoben fühlen? Als Erstes sollten sie das Ge­spräch mit dem oder der Vor­gesetzten suchen. Es gilt die eigene Wahrnehmung zu schildern, um sie mit der des Ge­genübers abzugleichen. «Im bes­ten Fall lassen sich so Miss­verständnisse aus der Welt schaffen und es stellt sich heraus, dass die eigene Sorge unbegründet war», so Struss.

 

Gleichzeitig sollten sich Be­schäf­tigte ehrlich fragen, ob sie selbst ihrer Verantwortung für ihre Auf­gaben vollends nachkommen. Hemsing rät, aktiv zu überlegen, was man zur Verbesserung der eigenen Arbeit tun könnte und der Führungskraft die Ideen im Gespräch darzulegen. Struss empfiehlt, konkrete Lö­sungs­vorschläge anzubieten, wie eine andere Form der Zu­sam­menarbeit aussehen könnte, etwa zu E-Mails oder gemein­samen Besprechungsterminen. Oder auch von sich aus die Be­reit­schaft äußern, in ein anderes Team zu wechseln.

 

Reagiert der oder die Vor­ge­setzte jedoch auf wiederholte Bitten nach einem klärenden Gespräch nicht, bleibt nur, die nächst höhere Führungsebene einzuschalten. Andreas Hemsing rät, diesen Schritt anzukündigen und zu erläutern, warum man das Problem nun weitertragen muss.

 

Wie Quiet Firing und Quiet Quitting zusammenhängen

Wer nach allen Gesprächen weiter das Gefühl hat, dass es für die Arbeit im Unternehmen keine vertrauensvolle Grundlage mehr gibt, sollte unter Umständen auch einen Jobwechsel in Be­tracht ziehen. «Wenn mein Vor­gesetzter sich mir gegenüber wenig wertschätzend, kooperativ und konstruktiv verhält, würde ich immer fragen: Will ich hier überhaupt noch arbeiten? Gibt es noch positive Entwick­lungs­möglichkeiten für mich?», sagt Struss.

 

Es wird jedoch auch Menschen geben, die trotz aller Probleme lieber in ihrem alten Job bleiben und dort nur noch Dienst nach Vorschrift machen wollen. «Es ist eine ganz persönliche und klare Lebensentscheidung von Men­schen, die sagen, die Arbeit dient mir nur dazu, mein Ein­kommen zu sichern. An­sonsten hat mein Leben andere Schwer­punkte», sagt Hem­sing. Ein Phä­nomen, das in der Ar­beits­welt heute schon verbreitet sei und für das es ebenfalls einen englischen Begriff gibt: Quiet Quitting, die stille Kündigung.