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Oktober 2019

12 Arbeitsrecht & mehr Jobwoche.de

Aus dem Arbeitsrecht

Arbeitgeber darf bei Tattoos nur                                Was ist
                                                                erlaubt
in Ausnahmefällen mitreden                                      am Arbeitspl

Ob eine kleine Verschönerung am Handgelenk oder eine            Wenn Mitarbeiter die Regeln ih-     Dürfen private Mails aus dem
großflächige Zeichnung über den gesamten Arm - man-             res Betriebes missachten, mö-       Büro verschickt werden?
cher Chef sieht Tätowierungen nicht gerne. Aber darf der        gen sie auch noch so kleinlich      Das hängt im Wesentlichen vom
Arbeitgeber bei der Körperkunst seiner Angestellten mit-        erscheinen, machen sie sich         Arbeits- oder Tarifvertrag bzw.
reden?                                                          angreifbar. Und liefern womög-      den Betriebsvereinbarungen ab.
                                                                lich dem Chef eine unnötige         Ist darin das Verfassen und der
«In der Regel geht das den Arbeitgeber nichts an», sagt         Angriffsfläche. ARAG Rechts-        Versand privater Mails vom Ar-
Johannes Schipp, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Die Per-          experte Tobias Klingelhöfer         beitsplatz aus verboten, muss
sönlichkeitsrechte des Einzelnen stehen in der Regel über       sagt, was am Arbeitsplatz er-       sich der Arbeitnehmer daran hal-
dem Interesse des Arbeitgebers. Anders sieht es nur aus,        laubt ist und was nicht. Er weiß    ten, sonst kann es eine Abmah-
wenn ein Arbeitgeber beweisen kann, dass sich das Tattoo        jedoch auch, dass nicht jedes       nung geben. Eine Kündigung
«schädigend auf den Betriebsablauf» auswirkt.                   Vergehen direkt zur Kündigung       muss er aber auch dann nur in
                                                                führt.                              Ausnahmefällen fürchten. In ei-
Dann darf er zum Beispiel verlangen, dass eine tätowierte                                           nem konkreten Fall hatte eine Ar-
Mitarbeiterin eine lange Bluse trägt, die das Tattoo verdeckt,  Sind private Telefonate             beitnehmerin einer Anwaltskanz-
erklärt Schipp, der Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft        erlaubt?                            lei einen Kettenbrief an Kollegin-
Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein ist. Das gilt zum        Ja, wenn der Arbeitgeber keine      nen im Sekretariat weitergeleitet.
Beispiel, wenn keine Kunden mehr kommen, wenn                   Regelungen hierfür im Betrieb       Ohne vorherige Abmahnung
Angestellte tätowiert sind. Eine Ausnahme bildet zudem das      aufstellt und privates Tele-        wurde der ansonsten unbeschol-
Beamtenrecht. Hier können die Regeln durchaus strenger          fonieren duldet oder gar sein       tenen Frau gekündigt. Doch die
sein, und Tattoos verboten werden.                              Einverständnis hierzu erklärt. Ich  Richter wiesen die Kanzlei in die
                                                                rate allerdings auch dann dazu,     Schranken: Sie konnten keinen
Gründe für fristlose Kündigung                                  sich kurz zu fassen. Wer es den-    absichtlichen Verstoß erkennen,
                                                                noch nicht abwarten kann, der       sondern attestierten der Betroffe-
Will ein Arbeitgeber einem Angestellten fristlos kündigen,      besten Freundin während der         nen ein eher gedankenloses Vor-
braucht er dafür einen guten Grund. Doch umgekehrt gilt         Arbeitszeit vom Schnäppchen         gehen, was erst- und einmalig
das genauso. (LAG Rheinland-Pfalz Az.: 4 Sa 307/16).            bei der letzten Shopping-Tour       gewesen sei. Daher hätte es vor-
                                                                oder vom gestrigen Date zu          her eine Abmahnung geben
In dem Fall ging es um einen Azubi, der seine Ausbildung in     erzählen, riskiert eine Abmah-      müssen (ArbG FaM, Az.: 5 Ca
einem anderen Betrieb fortsetzen wollte. Deshalb bat er sei-    nung. Private Telefonate auf        4459/00). Ausnahmen vom Mail-
nen aktuellen Arbeitgeber um Auflösung des Aus-                 Kosten des Arbeitgebers können      Verbot sind allerdings absolute
bildungsvertrags. Das lehnte der ab, daraufhin kündigte der     sogar Grund für eine fristlose      notfälle, wozu allerdings nicht
Azubi fristlos. In seinem Kündigungsschreiben begründete er     Kündigung sein (BAG, Az.: 2         die Verspätung zur Verabredung
die Kündigung mit systematisch schlechter Behandlung,           AzR 147/03).                        am Abend gehört.
ungerechter Kritik und häufigem Anschreien.

Der Arbeitgeber klagte gegen die Kündigung - und war damit
erfolgreich. Die Kündigung ist nichtig, entschied das Gericht.
Der Grund:  Das Kündigungsschreiben werde den notwendi-
gen Anforderungen nicht gerecht.

Eine Kündigung aus wichtigem Grund und ohne Einhaltung
einer Kündigungsfrist müsse schriftlich und unter Angabe der
Gründe erfolgen. Dabei müssten die für die Kündigung aus-
schlaggebenden Tatsachen genau angegeben werden - pau-
schale Angaben reichten nicht aus. Die Begründung der
Kündigung enthalte jedoch lediglich schlagwortartige Be-
schreibungen von Geschehnissen und keine Schilderung kon-
kreter Vorfälle.
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